Freitag, 24. Februar 2017

Quer durch den Balkan - Teil 7: Montenegro - Schluchten, nix als Schluchten


Vermosh verlassen wir wie wir gekommen sind: Über den kleinen Grenzübergang im Norden. Der Grenzbeamte winkt uns freundlich zum Abschied - man kennt sich ja. Gerade als wir ausreisen, reist eine größere Gruppe italienischer GS-Fahrer ein - die Linke zum Gruß und ab geht es Richtung Durmitor National Park - einer der Motorradfahrer am Shkoder Zeltplatz hat uns Tipps zur Tara & Piva Schlucht geben, also nichts wie hin.

Wir folgen der P4 in nord-westlicher Richtung der Tara Schlucht entlang, die mit ihren 1.300m Tiefe und türkisblauen Wasser immer wieder zum Fotostop einlädt (bei der Gelegenheit decken wir uns auch mit einem selbstgebrannten Zwetschgen-Raki ein, aber dazu in einem späteren Blog mehr. Damit ist es die größte Schlucht Europas (Länge & Tiefe).


Einen ersten ausgiebigen Halt machen wir bei der Đurđevića-Tara-Brücke - wir und ALLE anderen Touristen die gerade in Montenegro unterwegs sind - so fühlt es sich wenigstens an. Die Brücke ist aber auch wirklich beineindruckend - über 750m lang und es geht 150m in die Tiefe - Schwindelfreiheit hilft. Links und rechts von der Brücke gibt es mehrere Flying-Fox Anlagen mit denen man sich von links-nach-rechts und wieder zurück über die Schlucht schießen lassen kann.

Nichts für uns heute, wir wollen es lieber etwas ruhiger haben und fahren weiter. Die Stadt Zabjlak im Durmitor Nationalpark soll unser Ziel für heute sein. Dort gibt es auch mehrere Campingplätze zum Zelten.

Leider wird das Wetter trüber je weiter wir Richtung Zabjlak kommen und auch kühler, naja wir sind ja auch über 1.400m - das vergisst man schnell. Unser Ziel entpuppt sich als typischer Wintersportort: Hotels und vor allem jede Menge Apartments gibt es hier. Es ist auch ganz schön was los - im Ort tummeln sich Autokennzeichen aus ganz Europa, mit klarem Schwerpunkt Ost-Europa.

Kleine Montenegro Anekdote: Beim ersten Kaffee-Stopp in Montenegro in einem kleinen Kaff und noch kleinerem Café fragte ich beim Bestellen "do you take also EURO?" - da wir mal wieder keine Ahnung hatten, was für eine Währung hier gilt und Geldautomaten gab es nicht. Die Kellnerin schaute mich sehr verdutzt an und sagte etwas zögernd "Yes", worauf ich zwei Espresso bestellte. Die Rechnung kam gleich mit: €1,90. In Montenegro ist der Euro offizielle Währung - wieder was dazu gelernt. Reisen bildet eben.

Die Campingplätze entpuppen sich jedoch alle als nicht besonders schön. Vielleicht liegt es auch am trüben Wetter, aber wir schauen uns alle drei an und sind über Lage & Ausstattung wenig begeistert. Und so beschliessen wir uns mal wieder was zu gönnen und beziehen das SOA Hotel - ein modernes, luxuiröses Haus, mit Sauna und allem drum und dran. Die Sauna entpuppt sich allerdings als winziges Dachstübchen ohne Ruheraum, das zu allem Übel noch von ein Masseuse mit russischem Akzent und militärischer Ausbildung bewacht wird. Das schließen wir jedenfalls aus dem uns bereitetem Empfang und 'Rauswurf', weil die Sauna wohl nur mit Reservierung betreten werden darf.

Egal. Dafür finden wir eine Spitzen-Bäckerei, die bis 2 Uhr morgens offen hat und den besten Börek verkauft den wir bisher gegessen haben. Das reicht für Abends und auch noch als Wanderproviant am folgenden Tag. Im National Park soll es erstklassige Wanderungen geben und zumindest einen Tag möchten wir uns die Beine vertreten.


Kerstin plant eine Tour mithilfe des Internets und nach einem leckeren Frühstück (allerdings im Keller und mit schlechtem Kaffee) gehts los. Wir haben den Park und den Sonnenschein ganz für uns: die ganzen Touristen sind anscheinend nicht zum Wandern hier. Ausser zwei Polen (die gleich mehrere Tage mit Zelt unterwegs sein wollen) und einem Pärchen aus Österreich mit Hund (der aber gar nicht ihrer ist) treffen wir keine Menschenseele. Dafür sehr gut ausgeschilderte und markierte Wanderwege und klasse Ausblicke. Als wir abends wieder zurück sind, ist es auch schon beschlossene Sache: Wir waren nicht zum letzten mal in Montenegro und im Durmitor. Nächstes mal Mehrtageswanderung mit Zelt, jawoll.


Abends studieren wir (nach einen Sauna Gang - diesmal reserviert) die Karte und überlegen wo es morgen hingehen könnte. Klar ist das wir auf der kleinen Strasse den Park durchqueren, aber dann? Eher nördlich Richtung Sarajevo oder etwas mehr westlich nach Mostar? Für mich ist klar: Mostar muss ich sehen, wenn ich schon hier bin. Eine Stadt über die vor 25 Jahren täglich in den Nachrichten kam, so wie heute Aleppo. Entscheidung gefällt. Es geht nach Mostar.

An dieser Stelle fällt uns übrigens zum ersten mal auf, dass wir ja auf dem Heimweg durch Bosnien-Herzegowina fahren. Das ist uns bisher irgendwie entgangen, weshalb wir kein Kartenmaterial haben. Egal - das passiert halt wenn man mal wieder Planlos auf Reisen ist.

Die Fahrt nach Mostar ist ein Traum. Der Durmitor Park ist auch vom Motorrad aus ein Traum - landschaftlich & fahrerisch. Das Wetter spielt auch mit: Sonnenschein und angenehmen Temperaturen.


Der Grenzübergang ist wieder einmal problemlos, nur Pass und Fahrzeugpapiere werden studiert und schon sind wir in Bosnien-Herzegowina. Wir verabschieden uns langsam von den Bergen Montenegro's und schwingen uns in schönen Kurven hinunter in die Ebene von Mostar. Und mit jedem Höhenmeter weniger, steigt das Thermometer. Waren es in Durmitor noch angenehme 20°C, zeigt das Display der GS kurz vor Mostar 36°C.


Das macht die Unterkunftssuche natürlich nicht einfacher. Nach einem Abstecher in die Altstadt, wo es uns aber zu voll und teuer ist, findet Kerstin zu Fuß (ich bewache im Schatten die Bikes) ein schönes Guesthouse - von einem Schweiz-Bosnier betrieben, mit schönen Zimmern, deutscher Sprache und tollen Tipps vom Hausherr, das Hotel Hum. Den mussten wir erstmal etwas bremsen mit seinen Tipps, weil es uns erstmal wichtiger war aus den durchgeschwitzten Klamotten und unter die kalte Dusche zu kommen. So kann es gehen - gestern noch finnische Sauna - heute Codura-Sauna.

Im nächsten Post: Bückenspringer in Mostar, vier Stunden durch das Niemandsland und Wasserfälle satt. [Fortsetzung folgt]

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Donnerstag, 9. Februar 2017

Quer durch den Balkan - Teil 6: Wanderparadies Vermosh


Die Grenze nach Vermosh ist schnell überquert. Definitiv einer der kleinsten Grenzübergänge an denen wir je Halt gemacht haben. Zwar wird die Strasse, die auf Montenegro Seite in relativ gutem Zustand war, schnell wieder schlecht, aber die Schotterteile halten sich in Grenzen und Schlaglöcher machen uns ja nichts.

Es geht über einige Holzbrücken und an einem Hotelneubau vorbei immer weiter ins Tal hinein und mit jedem Meter wird es ein bischen einsamer. Der Himmel ist mit tiefen, grauen Wolken verhangen, aber es sieht nicht nach Regen aus und wir geniessen die etwas kühleren Temperaturen nach über 30°C bei Shkoder.

Rechts entdecke ich einen dieser Beton-Pilze, die man in Albanien überall sieht. Ein Überbleibsel aus der kommunistischen Diktatur unter (Name?), der in seiner Paranoia überall im Land kleine Einmann-Bunker hat bauen lassen. Wir haben in der Woche schon einige gesehen, aber zum Fotostop hat es nie gereicht. Diesmal schon:


Weiter gehts ins Vermoshtal. Nach einigen km sehen wir die ersten Schilder die über Guesthäuser informieren. Die meisten der verstreuten Bauernhöfe bieten inzwischen auch Unterkünfte für Reisende an. Leider weisen viele der Schilder nach rechts, über den (praktisch ausgetrockneten Fluss), aber wie wir da rüberkommen sollen ist uns ein Rätsel: Brücken gibt es nur für Fussgänger und durch das Flussbett, voll mit Findlingen und Treibholz wird kaum ein Unimock kommen.

Egal, wir finden - schon fast am Ende des Weges - das schöne Guesthause (Namen und Link). Ebenfalls ein Bauernhof auf dem drei Generationen der Familien leben. Die Tochter spricht super English und schmeisst das Touristengeschäft, während Bauer, Bäuerin und Grosseltern damit beschäftig sind die voll behangenen Obstbäume auf dem Grundstück abzuernten und in riesigen Mostbottichen (Mehrzahl und mannshoch) zu sammeln. Das wird einen Raki geben.

Auf dem grossen Grundstück könnte man auch Zelten, wir entscheiden uns aber für ein gemütliches Zimmer mit geteilten Bad im ersten Stock, da es abends hier oben bestimmt sehr frisch werden kann.

Da es hier keine Läden oder Restaurants gibt gibt es Halbpension mit Frühstück und Abendessen. Am ersten Abend gibt es leckere Forelle und ein Foto für die Facebookseite. Und natürlich ist alles was hier auf den Tisch komme (abgesehen vom Bier) von hier: Die Fische aus dem Bach, das Gemüse aus dem Garten, Eier von den Hühnern die über den Hof gackern und das Brot selbst gebacken. Einfach schön.

Uns zieht es bald ins Bett, denn morgen wollen wir mal die Motorradstiefel gegen Wanderschuhe tauschen.

Beim herzhaften Frühstück gibt uns die Tochter noch einige Tipps, wohin wir gehen könnten und sogar eine kleine Wanderkarte. Etwas Verpflegung in den Rucksack und schon geht es los. Der Himmel ist zwar immer noch grau, aber Regen ist nicht zu befürchten. Wir folgen der Beschreibung und dem markiertem Wanderweg über den Fluss und die Berge hoch. Ziel ist ein Kriegerdenkmal das es oben geben soll. Unser Weg führt uns durch Birkenwälder und über Almen. Das Denkmal finden wir auch, ist aber wenig spektakulär - vielleicht ganz gut so. Nach einer kurzen Rast beschliessen wir den Rückweg anzutreten, obwohl wir noch nicht ganz den Gipfel erreicht haben. Aber die Wolken hängen so tief, dass es definitiv keine Aussicht da oben gibt.

Wieder im Guesthouse angekommen, lassen wir uns im Pavillon nieder, der im Garten steht. Wir sind nicht alleine: Eine Gruppe Albanier, die gerade in Montenegro Angelurlaub macht sind auf ein Bier vorbeigekommen.

Am Rande bekommen wir auch mit, was es heute Abend zu essen gibt: Das Ferkel das eben noch gequiekt hat und jetzt gerade vom Bauern an einem Baum gehängt zerlegt wird. Wir trösten uns damit, das die Schweine hier insgesamt ein schöneres Leben haben als bei uns - die meiste Zeit laufen sie einfach frei in der Gegend herum.

Zum Ferkel gibt es Kartoffeln und etwas, das uns die Köchin als 'gekochter Käse' erklärt: Eine helle, breiige, zähe Masse, die im Fett schwimmt. Durchaus lecker, aber das Essen liegt mir später schon sehr schwer im Magen.

Weiter gehts am anderen Tag wieder auf dem Weg den wir hergekommen sind zurück nach Montenegro. Diesmal sagen wir Albanien aber für dieses Mal endgültig 'Auf Wiedersehen', es wird bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein.

Montenegro - wir kommen [Fortsetzung folgt].
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Samstag, 4. Februar 2017

Quer durch den Balkan - Teil 5: Thethi und 'Bazaar' an der Grenze


Von Shkodér ist es nicht mehr weit nach Thethi, jenes einsame Tal das so abgelegen ist, dass nur zwei Strassen hinführen. Gestern Abend haben wir uns schon ausführlich in Internet und auf YouTube erkundigt wie die Strasse dahin aussieht. Soviel haben wir rausgefunden:

  • Die SH21 nach Thethi ist wohl seit neuestem bis zum Pass geteert, danach Schotter
  • Die Strasse ohne Namen, die von Osten nach Thethi führt ist wohl nur was für harte Enduristen oder 4WDs (also nicht für uns).
Und so beschliessen wir über die SH21 hin und auch wieder zurück zu fahren. Wir möchten wenigstens zweimal übernachten, um endlich mal eine paar Schritte Wandern zu können.

Von der SH1 geht es bei Koplik rechts auf die SH21 und uns erwartet eine wunderschöne Pass-Strecke. Der Belag bis beinahe jungfräulich, Kurve folgt auf Serpentine und die Ausblicke auf die Berge sind fantastisch. Sogar Parkplätze mit Aussichtspunkten und Info-Tafeln fehlen nicht. Gut gemacht Albanien.

Leider hört die Traumstrasse wie erwartet just am Scheitelpunkt auf. Runter ins Tal geht es über eine schmale Schotterpiste. Auf der Passhöhe treffen wir auch ein paar deutsche Urlauber, die gerade die Auffahrt hinter sich gebracht haben. Sie erzählen von ihrer 3-stündigen Abfahrt am Abend zuvor mit ihren alten, nicht wirklich geländegängigen Fahrzeugen (Auto und Bus). Es gibt viel Gegenverkehr (Thethi ist nämlich schon lange nicht mehr einsam - täglich fahren viele Tourbusse und -jeeps mit den Besuchern ins Tal) - auch als wir dort stehen sehen wir massig Jeeps rein und rausfahren. Das hebt insbesondere bei Kerstin nicht gerade die Stimmung.

Probieren wollen wir es trotzdem - wir brechen aber schnell ab. Besonders der unbefestigte, steile Abhang an dem wir bei Gegenverkehr entlangtuckern trägt nicht dazu bei, dass wir uns richtig wohlfühlen und so kehren wir wieder um.

Weil es schon Nachmittag ist als wir wieder zur SH1 kommen, beschliessen wir einem Tipp eines deutschen 4WD Fahrers zu folgen, den wir auf dem Pass getroffen haben: Das Shkoder Lake Resort soll ein toller Campingplatz sein, inkl. Restaurant und Badesee. Als dann noch das Wort "Hängematte" fiel, war Kerstin nicht mehr zu halten.

Der Weg zum Campingplatz ist gut ausgeschildert. Und unsere Erwartungen werden nicht enttäuscht: Der Platz ist wunderschön und sehr großzügig gehalten, mit genügend Platz für jeden Camper. Ausserdem gibt es einen kleinen Strand mit Liegen und eben Hängematten. Ein Restaurant, WiFi und einen Wäscheservice.

In 15 Minuten steht unser Zelt, eine Ladung Wäsche ist in der Maschine und wir genießen entspannt ein Bier am Strand.



Abends treffen wir noch drei weitere Motorradfahrer. Einer kommt gerade von da, wo wir als nächstes hinwollen: Das Vermosh-Tal. Dieses Tal soll touristisch noch nicht so erschlossen sein wie Thethi, aber besser zu erreichen. Leider führt der direkte Weg über die SH20, die ebenfalls noch ein gutes Stück Schotterpiste ist. Der Motorradfahrer, der diese Strecke hinter sich gebracht hat hat nur laut gelacht als ich ihn nach dem Zustand der Strasse fragte - Schotter vom feinsten, immer fein Hand am Gas lassen. Wie wir hören wird dort gerade fleissig gebaut, das heißt der Schotter ist frisch und weich, die Strecke ähnlich steil und abschüssig wie nach Thethi - und dann noch massig Baustellenfahrzeuge - also vielleicht doch nicht.  Aber zum Glück führt noch ein anderer Weg nach Vermosh: über Montenegro.

Und so brechen wir morgens Richtung Grenze auf, reisen nach Montenegro ein und ein paar Stunden später auch schon wieder aus - zurück nach Albanien, direkt beim Vermosh Tal. Aber nicht ohne vorher ausgiebig die traumhafte Route entlang von Bergen und Schluchten in Montenegro zu genießen - ganz ohne Schotter.

Beide Grenzübergänge sind übrigens wieder völlig problemlos: Man kontrolliert immer Pass und Fahrzeugschein, auch die grüne Versicherungskarte möchten die montenegrischen Grenzbeamten sehen (meine laminierte Grüne Karte lockte dem Beamten ein "very professional" hervor). Auch der Zoll will diesmal einen Blick in unsere Koffer werfen. Der Anblick von Kerstins Koffer Inhalt (ich sage nur Kraut & Rüben), kommentiert der Zöllner lächelnd mit "Bazaar".

Über Vermosh und unser tolles Guesthouse berichten wir dann im nächsten Post [Fortsetzung folgt]

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