Sonntag, 29. März 2015

Trockene Wahlen in Sucre


Warum nur hat uns niemand vorgewarnt?

Genau das fragen wir uns am Freitag Abend, als wir ausgehbereit und sehr durstig in der ersten (Ess-) Kneipe sitzen. Genau hier haben wir noch am Mittwoch Abend das erste Bier (aus einer Hausbrauerei, Cerveca Artesanal) in Bolivien getrunken, das tatsächlich nach mehr schreit. Alle vorherigen zarten Versuche, das hiesige Bier zu kosten, endeten damit, dass wir uns jeweils eine Flasche teilten (!!!!), weil keines der Biere Potosina, Pacena oder Huari nach mehr schreit. Das will schon was heißen. Und von dem hier so weit verbreiteten Wein 'Kohlberg' lassen wir nach einmaliger Verköstigung eines winzigen Gläschens auch tunlichst die Finger. Somit verlängern wir unsere Quasi-Abstinenz, die mit Einzug in San Pedro de Atacama aufgrund der Höhenanpassung begann unfreiwillig bis Sucre. Und auch hier weiten wir den Spannungsbogen noch etwas aus und schonen unsere Partykräfte brav bis Freitag. Sucre ist ja schliesslich eine Studentenstadt, und es gibt massig Kneipen zu durchwandern.  

Tja, und dann die Worte der freundlichen Bedienung: Es gibt Essen und Erfrischungsgetränke aber keine alkoholischen Getränke; nein, auch kein Bier.

WIE BITTE?

Am Sonntag sind in ganz Bolivien Regionalwahlen und das hiesige Gesetz sieht vor, dass 48 Stunden vor und am Wahltag keine alkoholischen Getränke konsumiert (!!!!) werden dürfen. Um dies einzuhalten, werden in der Zeit also auch keine alkoholischen Getränke verkauft, weder in Kneipen noch im Laden. Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen und dann die Konsequenzen vorstellen, wenn die Linken einen solchen Gesetzes-Vorschlag einreichen würde.

Sowas würde es in Bayern nie geben!

Wow, die Schockstarre löst sich nur langsam und ich überlege, was ich alles anders gemacht hätte, wenn ich das vorher gewusst hätte. Eine Idee wäre gewesen, uns an diesem Wochenende zu einem Yoga-Detox-Retreat (sowas gibt's hier bestimmt auch irgendwo) im Nirwana anzumelden. Dann hätte uns das alles nicht gejuckt. Die andere naheliegendere Idee wäre natürlich gewesen, es am Donnerstag nochmal so richtig krachen zu lassen...wenn ich's mir recht überlege haben die Bolivianer genau das getan: die Innenstadt und ihre Kneipen schienen von Menschenmassen überflutet zu sein und selbst in unserem Hostal (eher ein Hotel) haben die Angestellten einen Umtrunk unter sich veranstaltet. Aber nein, wir wollten ja unsere Partykräfte für Freitag aufheben....

Allen denjenigen, die sich jetzt denken, dass man doch auch ohne Alkohol feiern kann sei noch folgendes gesagt: unsere erste Anlaufstelle am Freitag Abend, eine Cerveceria Artesanal schräg gegenüber des Hotels, die eigentlich eh nur am Freitag und Samstag geöffnet ist, lässt die Pforten gleich ganz zu. Wir schätzen, dass andere reine Trink-Kneipen dem gleich tun. Kneipen, in denen Essen serviert wird, schliessen schon verfrüht um Mitternacht. Nein, hier wird am Wochenende nicht gefeiert; die Leute sollen sich ja schliesslich auf die Wahlen konzentrieren.

Um das Ganze noch zu steigern, erfahren wir, dass am Sonntag Abend aufgrund der Wahl keine Busse nach La Paz fahren. Das Gesetz sieht nämlich weiters vor, dass am Wahltag kein motorisierter Verkehr, Strasse und Luft, zugelassen ist; so soll verhindert werden, dass Leute, die evtl. zwei Wohnsitze haben, an beiden Orten zum Wählen gehen. Nur autorisierte Fahrzeuge dürfen fahren, z.B. um die armen Touristen am Flughafen abzuholen, die sonst dort stranden würden. Internationale Flüge dürfen nämlich landen. Gut dass wir keinen Zeitdruck haben.

Wir finden das alles sehr grotesk und bereiten uns auf einen ruhigen Sonntag im Hostel vor, an einen Ausflug in die Umgebung mit öffentlichen Bussen wagen wir gar nicht zu denken. Am Markt kaufen wir die nötigen Lebensmittel ein, wer weiss, ob am Sonntag überhaupt irgendwas geöffnet ist? Später werden wir uns noch mit der hoffentlich leckeren hiesigen berühmten Schokolade eindecken. Ein Laster muss ja schliesslich bedient werden, an dem sonst so gesunden Wochenende.  

Uns schwant schon ähnlich böses, beim Gedanken an das Osterwochenende in La Paz, aber dazu in einer Woche mehr.



Einige Kneipen machen gleich ganz zu

Die Wein & Bier Regale im Supermarkt sind abgehängt

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blogged by Zenzi39


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