Freitag, 27. März 2015

Durch die Hölle(n) von Potosi - Eine Minentour im Cerro Rico


Bonk - ich hab mir schon wieder den Kopf angeschlagen. Bestimmt zum 10. Mal. Zum Glück habe ich einen Helm auf, deshalb bleibt das Kopfweh zum Glück aus. Dafür schmerzt mein Kreuz. Meine Gummistiefel schmatzen sich durch grauen Schlamm und über mir hängen Stalaktiten aus Zyanid die grünlich im Schein meiner Grubenlampe leuchten. Von Leon - unserem Führer - sehe ich nur den Schein seiner Lampe, die mühelos durch die engen Stollen schwingt, als ob das alles ein Spaziergang ist.

Potosi war einst die reichste Stadt der Welt, dank des größten Silbervorkommens der Welt. Inzwischen ist das Silber aber fast komplett abgebaut. Trotzdem graben sich noch immer bis zu 10.0000 Minenarbeiter durch den 'Cerro Rico', den reichen Berg, der mit all den Stollen und Minen einem schweizer Käse gleicht.

Der 'Cerro Rico'

Giftige Stalaktiten

Und man kann diese Minen besichtigen. Das darf man sich aber nicht so vorstellen wie eine Besichtigung in einem deutschen Bergwerk. Hier wird nämlich noch gearbeitet und teilweise so wie zur Zeit der Spanier.

Zur Besichtigung der Minen muss man sich einer Tour anschließen. Davon gibt es etliche in Potosi. Wir haben uns für "Big Deal Tours" entschieden. Big Deal wurde vor einigen Jahren von Ex-Minenarbeitern gegründet und nehmen für sich in Anspruch, die echten Minen und Bergleute zu zeigen.
Rey Leon zeigt uns das Endprodukt der Raffinerie...

... und das Ausgangsprodukt

Zu Beginn der Tour geht es zum Miners Market, wo wir einige Geschenke für die Bergleute einkaufen. Das gehört sich so, schließlich stören wir die Jungs (Frauen arbeiten nicht IM Berg, das würde Pachamama - Mutter Erde - eifersüchtig machen) nachher bei ihrer harten Arbeit. Das beliebteste Geschenk sind Coca-Blätter, die die Bergleute unentwegt kauen. Soll gut sein gegen die Höhe, Müdigkeit und Hunger. Außerdem ist Limo und Säfte beliebt. Man kann aber auch eine Stange Dynamit kaufen und mitbringen.

Anschliessend werden wir ausstaffiert: Jacke, Hose, Gummistiefel und natürlich Grubenlampe und Helm (dafür bin ich echt dankbar). Und ab geht es im klapprigen Minibus zum Eingang einer Mine.

Die meisten Minen sind hier 'Cooperativas', also Genossenschaften. Die Bergleute arbeiten also für sich und werden danach bezahlt, was sie an brauchbaren Mineralien abliefern. Das ist heute meist ein Gemisch aus Zink, Blei und Silber, das in den Cooperativa eigenen Raffinerien aus dem Gestein gelöst wird (mit ordentlich Chemie versteht sich).

Trommeln zerkleiner das Gestein

Wenn das der TÜV sieht ...

Der Stollen durch den wir den Berg betreten stammt ursprünglich noch aus der Kolonialzeit, das erkennt man auch am gemauerten Gewölbe das den Gang stützt. Aber nicht all zu lange. Bald besteht der Stollen nur noch aus herausgesprengtem Fels und Abstützungen aus Holzbalken (die tatsächlich teilweise aussehen als wären sie zu Zeiten König Carlos gefällt worden). Können wir am Anfang noch aufrecht gehen, wird der Stollen bald niedriger und enger. Entsprechend steigt die 'BONK' Frequenz und alle in unserer Gruppe (Stefanie und Thomas aus Berlin, sowie Emma und Alex aus England) fangen an zu schnaufen und zu schwitzen. Im Berg hat es um die 20°C, es ist teilweise sehr feucht und wir sind immerhin auf über 4.300m - was sich im Berg eher wie 5.000m anfühlt.

Wenigstens sieht man noch die Lampe von Leon

Stützgebälk das schon einiges gesehen hat

Immer wieder kommen wir an Gruppen von Bergleuten vorbei - meist Familien - die hier arbeiten. Obwohl man offiziell erst mit 18 hier arbeiten darf, erzählt uns Leon dass er bereits mit 8 angefangen hat und wir treffen auch einen 16 Jährigen der hier schuftet. Das geschürfte Gestein wird erst per Hand, dann in Schubkarren und später dann mit Loren transportiert. Alles per Hand, keine Maschinen. Auch der Abbau selbst erfolgt oft noch mit Spitzhacke, Meißel und Hammer (und mit Dynamit natürlich).

Löcher für Dynamit werden mit Hammer & Meißel gemacht

Per Schubkarren wird das Gestein transportiert

Nach gut einer Stunde in gebückter Haltung durch den Berg machen wir bei 'Tio' Rast, dem Gott des Berges. Ursprünglich war Tio der Teufel, eingeführt von den Spaniern um die einheimischen Bergleute einzuschüchtern. Die aber haben Tio schnell als ihren Schutzheiligen angenommen. Und so findet man überall in den Schächten Teufelsfiguren (mit Gummistiefeln), denen die Bergleute Opfer in Form von Cocablättern, Zigaretten und Alkohol (96% Zuckerrohschnaps - den wir natürlich auch probieren, nicht das Tio sauer wird).
Wir bitten Tio darum wieder aus der Mine zu finden

Der Beg leuchtet in den verschiedensten Farben

Dann geht es weiter durch Stollen die immer niedriger werden. Ab und an sehe ich einen gebrochen Stützbalken, was mir die ganze Sache etwas mulmig werden lässt. Aber nach gut zwei Stunden im Berg sehen wir endlich Tageslicht am Ende des Tunnels (in den Gängen selbst gibt es keinerlei Beleuchtung, ausser die Grubenlampen) und wir kommen am anderen Ende des Cerro Rico wieder ins Freie. Erschöpft, dreckig, verschwitzt aber um eine tolle Erfahrung reicher.

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blogged by Phoney


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